3.1.4. Welche Möglichkeiten und Grenzen bieten virtuelle Lernplattformen?
Lernziele:
- Die Studierenden können den Zusammenhang zwischen der Qualität der Lernsoftware und den Lernergebnissen theoretisch fundiert erklären und die Bedeutung eines didaktisch sinnvollen Aufbaus einer virtuellen Lernumgebung analysieren (vgl. Petko 2014).
- Die Studierenden sind in der Lage, die Merkmale einer ideal gestalteten virtuellen Lernumgebung zu identifizieren, darunter die Förderung dezentraler Bildungsprozesse, die Nutzung ansprechender Designs und neuer Technologien sowie die Bereitstellung von Supportstrukturen (vgl. Arnold u. a. 2011; Bettinger u. a. 2017).
- Die Studierenden können die Rolle technischer Funktionen wie Such- und Strukturierungsmöglichkeiten, multimedialer Aufbereitung sowie metakognitiver und kommunikativer Werkzeuge für einen individualisierten und kollaborativen Lernprozess detailliert analysieren und bewerten (vgl. Arnold u. a. 2011; Bernhardt / Kirchner 2007).
- Die Studierenden können den Einfluss von Interaktivität und medialer Vernetzung auf die Aktivierung der Lernenden reflektieren und das Potenzial für eine erhöhte Motivation und Lernerfolg wissenschaftlich fundiert diskutieren (vgl. Bettinger / Mayrberger 2014).
- Die Studierenden können die technischen, datenschutzrechtlichen und ethischen Herausforderungen bei der Nutzung von Metadaten und Learning Analytics in Personal Learning Environments (PLEs) kritisch evaluieren (vgl. NMC 2016).
Qualität vor Quantität der Funktionen
„Mit einer sinnvoll gestalteten Lernsoftware wird aller Wahrscheinlichkeit [nach, V.D.] besser gelernt als mit einem schlecht gestalteten Produkt“ (Petko 2014, S. 106). Eine Lernplattform ist somit sinnvoll aufgebaut, wenn Vorteile der neuen Medien genutzt sowie Desorientierung, Überforderung und Ablenkung verhindert werden. Weiterhin sollten die Inhalte in den Vordergrund treten und ein passender didaktische Rahmen vorliegen (vgl. ebd., S. 107f.). Wie sollte eine virtuelle Lernumgebung also bestenfalls ausgestaltet sein?
- Förderung dezentraler und zeitlich losgelöster Bildungsprozesse (vgl. Arnold u. a. 2011, S. 73)
- Nutzung eines ansprechenden Designs, neuer Technologien sowie Bereitstellung technischer und fachlicher Supportstrukturen (vgl. Bettinger u. a. 2017, S. 192)
- Vorgegebene Lernwege (vgl. Kerres 2002, S. 5) und die Möglichkeit, den Wissenserwerb mittels Elementen zur Selbststeuerung zu individualisieren (vgl. Bettinger / Mayrberger 2014, S. 157)
- Hohe Performance hinsichtlich der Stabilität und Reaktionszeit des Systems sowie komfortable Benutzung (vgl. Arnold u. a. 2011, S. 77)
- Funktionen zur Aufgabenbearbeitung, für metakognitive und -kommunikative Abläufe sowie für kooperative Prozesse (vgl. Pferdt 2012, S. 36; Bettinger / Mayrberger 2014, S. 157)
- Die Rezeption, Reflexion, Produktion, Vernetzung und Organisation von Informationen (vgl. ebd., S. 158)
Gleichzeitig kann eine PLE dazu beitragen, das soziale Miteinander sowie die Kommunikation – über Face-to-Face-Situationen hinaus – zu steigern (vgl. Aßmann u. a. 2017, S. 196). Neben dem Subjekt beeinflussen somit auch andere Teilnehmende und technische Komponenten den Bildungsprozess. Die höhere Interaktivität mit den Applikationen der Plattform und anderen Nutzenden aktiviert den Lernenden bzw. die Lernende (vgl. Bettinger / Mayrberger 2014, S. 157; Petko 2014, S. 67). Das Interesse steigt, wenn der oder die Nutzende die Rückmeldungen und Reaktionen des Portals auf seine bzw. ihre Eingaben als sinnvoll erachtet. Die Komplexität, ferner der Grad der Anregung, hängt mit der Vielfalt der medialen Verknüpfungen zusammen (vgl. ebd., S. 67). Wie können diese Verknüpfungen erreicht werden?
- Eine Interaktion mit den Lernobjekten auf der PLE findet mittels der alleinigen oder gemeinsamen Erzeugung, Adaption und Kommentierung statt (vgl. Arnold u. a. 2011, S. 74)
- Anwendungen zum Üben und zur Überprüfung des Gelernten sowie zur Kontrolle des Prozesses bieten den Nutzenden eigene Lernwege an
- Die Aufbereitung auf mehreren Kanälen, wie per Text, Video oder Audio, ist ideal (vgl. Bernhardt / Kirchner 2007, S. 27)
Die didaktische Passung der Komponenten mit den Inhalten sowie die Entscheidungen der Nutzenden beeinflussen maßgeblich die Wirksamkeit. Die Bereitstellung einer Fülle an Möglichkeiten kann jedoch alle Lernenden unterstützen, die sich, gemäß ihrer Bedürfnisse, den entsprechenden Lernweg suchen. Jedoch: Qualität geht über Quantität!
Technische Funktionen
Allgemein lässt sich eine Reihe an technischen Funktionsbereichen identifizieren, die an die vorangegangenen Überlegungen anschließen und Lehrenden die Organisation sowie Lernenden den Lernprozess erleichtern (vgl. Arnold u. a. 2011, S. 71, S. 74f.):
Die Suche nach und eigenmächtige Strukturierung von Informationen ist zentral für einen individualisierten Lernprozess. Die nur für den und auf Wunsch für Andere sichtbare Nachbearbeitung und Verknüpfung der Daten, etwa zur Vereinfachung komplexer Sachverhalte, gestattet dem oder der Lernenden, die Inhalte seinen bzw. ihren Präferenzen entsprechend anzupassen (vgl. ebd., S. 74). Es bestehen zudem Möglichkeiten der medialen Vernetzung ohne der Gefahr eines Medienbruchs. So erlauben etwa Videos mit Anmerkungen, neben denen ein PDF-Dokument zu finden ist, die simultane Informationsdarstellung. Neue Informationen sollten automatisch auf dem Bildschirm erscheinen. Diskussionsgruppen oder Blogs eröffnen einen Raum zur kritischen Auseinandersetzung, zur Reflexion, zur Präsentation von Ergebnissen und zur Lösungsfindung sowie zur Informationsverbreitung. Kursübergreifende Netzwerke können Gemeinschaften schaffen, die über die Mesoebene hinaus gehen (vgl. Arnold u. a. 2011, S. 71, S. 74f.; Aßmann u. a. 2017, S. 201).
Ein Bereich für Ankündigungen und Aktuelles, zur Kursbeschreibung, zur Verwaltung der Teilnehmenden, zur asynchronen oder synchronen Kommunikation und Zusammenarbeit sowie zur Gruppendiskussion sind Teil angebotener Komplettlösungen. Weiterhin verfügen ausgewählte Lernumgebungen über Aufgaben und Testbereiche zur Lernkontrolle und zum Aufzeigen von Wissenslücken. Einige dienen mit einem Glossar zur eigenmächtigen Kategorisierung sowie zum Lernen von Begrifflichkeiten, als auch mit Funktionen zum Setzen von Lesezeichen (vgl. Arnold u. a. 2011, S. 71; Aßmann u. a. 2017, S. 201; Bettinger u. a. 2017, S. 192).
Metadaten fernerhin Learning Analytics tragen zur Messung von Lernprozessen und zur Erschaffung zielgruppenspezifischer Angebote bei. Sie finden teilweise Einsatz in PLEs. Es zeigen sich jedoch angesichts allgemein- und datenschutzrechtlicher Regelungen sowie des Fehlens eines ethischen Kodex starke Zweifel hinsichtlich des Schutzes studentischer Daten (vgl. NMC 2016, S. 6, S. 16). Ohne eine (hoch)schulübergreifende, nationale Ausarbeitung von Richtlinien bezüglich des Umgangs mit den erfassten Informationen, muss von der Verwendung von Metadaten abgeraten werden.
Die technische Ausgestaltung von PLEs findet idealerweise unter Zuhilfenahme von aktuellen Technologien, wie etwa Drupal statt – einem Managementsystem für Entwickler, das die Realisierung von Modulen für Lernumgebungen erleichtert (vgl. Hölterhof u. a. 2017, S. 162). Indem eine PLE über die beschriebenen Funktionen verfügt, liefert sie eine Basis für einen qualitativ hochwertigen Lernprozess. Diese ist jedoch kein Garant für Qualität im Sinne des Lernerfolgs (vgl. Ehlers 2011, S. 105).
Weiterführende Literatur
- Dusanek, Vincent (2018): Blended Learning an der Hochschule. Eine quantitative Untersuchung der Studierendensicht zur Ausgestaltung eines Kurses in einem virtuellen Lernportal. Abrufbar unter: https://www.researchgate.net/publication/327269497_Blended_Learning_an_der_Hochschule_Eine_quantitative_Untersuchung_der_Studierendensicht_zur_Ausgestaltung_eines_Kurses_in_einem_virtuellen_Lernportal, letzter Zugriff: 25.02.2021.